Das Baryton
Christian Fuchs, Wien

Fotodokumentation

Die Herkunft des Barytons liegt bis heute im Dunkel, doch kann anhand der noch vorhandenen Instrumente (etwa 40 sind weltweit noch in diversen Sammlungen zu finden) mit ziemlicher Sicherheit darauf geschlossen werden, daß dieser Instrumententyp um die Mitte des 17. Jahrhundert im Süddeutsch-österreichischen Raum entstanden ist. Eines der frühesten Exemplare dürfte ein Baryton von Magnus Felden, Wien 1647, heute im Royal College of Music, London sein. Ein Instrument des selben Geigenbauers findet sich auch in der Sammlung alter Musikinstrumente im Kunsthistorischen Museum, Wien.

Das Korpus des Barytons ähnelt in seinem Umriß jenen phantasievoll verschlungenen Gambentypen, welche wir aus dem 17.Jhdt. aus dem süddeutschen Raum kennen. (z. B. Baß-Viola da Gamba von Paul Hiltz, Nürnberg 1639, im Victoria & Albert Museum, London) Obwohl fast immer von der Größe einer Baßgambe, kann das Baryton auch die Größe einer Alt-Gambe (z. B. unbezeichnetes Süddeutsches Instrument im Shrine of Music Museum, Vermillion, South Dakota, USA), oder die Größe einer großen Diskantgambe (z. B. Baryton von Simon Schödler, Passau 1768, im Stift Melk NÖ) haben. Die Decke ist oft von einer kunstvoll geschnittenen Rosette durchbrochen. Die Schallöcher sind meist in der Form doppelter Flammenlöcher ausgebildet. Das breite, mit sieben Bünden versehene Griffbrett dient zur Aufnahme von 6-7 Spielsaiten.
Spätestens hier jedoch endet die Ähnlichkeit mit einer Gambe. Betrachtet man den ungewöhnlich breiten kastenförmigen Hals des Instrumentes, ist man zunächst überrascht. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber, daß durch diesen Kasten 9-25 Saiten unter dem Griffbrett hindurch und über einen Querriegel oder einzelne Blöckchen zum unteren Deckenrand laufen. Diese aus Metall gefertigten Saiten sind nicht bloß Resonanzsaiten (wie etwa bei der Viola d'amore), sondern können auch mit dem Daumen der linken Hand angerissen werden und stellen so ein zweites Register dar. (Siehe Bildteil p.22)

Das ist aber erst die halbe Geschichte. Daniel Speer berichtet 1687 in seinem "Grund-richtigem Unterricht": "... zur rechten Seiten auf dieses Instruments Decken / werden auch noch Lauten-Saiten gezogen / und zuweilen auch mit dem kleinen Finger der rechten Hand berühret / so gleichsam im Gethöse ein Echo vorstellet" (Speer, p.207) So ausgelegte Instrumente sind extrem selten. (z. B. Baryton von Simon Schödler, Passau 1768, im Stift Melk NÖ und Baryton von Magnus Felden, Wien 1647, Royal College of Music, London)

Mit diesen Registern ausgestattet, stellt das Baryton also eine Kombination von Streich- und Zupfinstrument dar, welche wohl in der abendländischen Musik ihresgleichen sucht. Gerade diese Vielfalt der Möglichkeiten war es aber wahrscheinlich, die das Baryton nie zu einem wirklich populären Instrument werden ließ; zu groß waren die Anforderungen an die motorischen Fähigkeiten vor allem der linken Hand. Dennoch fanden sich immer wieder Liebhaber und natürlich auch Virtuosen, die sich gerade dieser klanglichen Vielfalt zu bedienen wußten.
In der ersten Gruppe ist wohl Fürst Nikolaus Esterhásy als prominentester Vertreter zu nennen. Obwohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Viola da Gamba, bedingt durch das Vorrücken der da Braccio-Instrumente, langsam aus der Mode kam, erkor Prinz Nikolaus zuerst die Viola da Gamba uns später das Baryton zu seinem Lieblingsinstrument. 1765 erwarb er während einer Reise nach Innsbruck ein Baryton von Johann Joseph Stadlmann. (Es ist nicht bekannt, ob dies sein erstes Baryton war. Jedenfalls ist dies aber der erste belegte Erwerb eines solchen Instruments.) Aus dem selben Jahr stammen auch die ersten Stücke für das "paridon" von seinem neuen Kapellmeister, Joseph Haydn.

Obwohl Haydn eine sehr große Zahl von Duos, Trios (126!), Quintetten und Oktetten für des Fürsten edelsten Zeitvertreib verfaßte, konnte er alleine dem Wunsch seines Brotherren nach immer neuen Stücken nicht Herr werden und teilte sich diese "Haydn-Arbeit" mit den anderen Mitgliedern der Esterhásy Kapelle (L. Tomasini, J. Purksteiner, A. Kraft, A. Lidl).
Will man den frühen Haydnbiographen Griesinger (1809) und Deis (1810) Glauben schenken, so hatte Haydn bis zum Jahr 1769 das Barytonspiel im geheimen so gut erlernt, daß er seinen Herrn darin übertraf, was anscheinend dessen Mißfallen erweckte. Trotzdem versicherte sich der Fürst noch im selben Jahr der Dienste des Barytonvirtuosen A. Lidl. Dieser verließ Esterhása 1774 wieder und begab sich auf Konzertreisen nach Frankreich und England. Wohin er auch kam wurde er ob seiner Virtuosität und seines Geschicks, sich selbst zu begleiten, bewundert. Der berühmte Musikgelehrte Dr. Charles Burney blieb jedoch unbeeindruckt. Zu Lidls Spiel bemerkte er: "... it seems with Music as with agriculture, the more barren and ungrateful the soil, the more art is necessary in its cultivation." (Burney "A General History of Music" 1789)
Obwohl Liebhaber des Instrumentes das Baryton noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten und Stücke dafür komponierten, kam es schon um die Jahrhundertwende aus der Mode. Mit dem neu erwachten Interesse für alte Musik erhob sich auch das Baryton in unserem Jahrhundert wieder wie ein Phönix aus der Asche.

Baryton, Ferdinand Wilhelm Jaura, München 1934

Zettel: Ferdinand Wilhelm Jaura / München anno 1934
Dieses Instrument ist eine ausgezeichnete Kopie eines Originalinstrumentes von Simon Schödler, Passau 1782. Im Zuge der Wiederentdeckung der alten Musik wurde es in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts notwendig, Kopien von den manchmal nicht all zu zahlreichen Originalinstrumenten anzufertigen. Ferdinand Wilhelm Jaura, Sproß einer traditionsreichen Wiener Geigenbauerfamilie zählte hierbei zu den herausragenden Persönlichkeiten. Seine Instrumente sind nicht nur von hoher handwerklicher Qualität, sondern zeichnen sich auch durch ihren, den besten Originalen ebenbürtigen, Klang aus.
(650/309/219/378/123/663) [siehe Bildteil p.21/22]

Information von Alfred Lessing: Jaura hat 3 (oder 4) Barytons gebaut. Eines im Museum Krakau (Information von Jaura an Herrn Lessing), eines im Münchener Stadtmuseum (1937). Eines an Herrn Stieber in München (Haferland ausgeliehen - auch Rundfunkaufnahmen); Das Instrument dieser Sammlung ist dasjenige, worauf Döbereiner 1936 zum ersten Mal öffentlich in einem Konzert ein Haydn Trio aufführte; es ist dann bei Jaura geblieben. Lessing lieh sich dieses Instrument für seine erste Aufnahme (im 1968?) aus (Electrola: Haydn h-moll Trio); ab 1969 gehörte das Baryton Herrn Eggebrecht (Münchner Baryton Trio), später Dr. Gerhard Singer, dessen Witwe das Instrument an José Vázquez verkaufte.

BARYTON

Baryton von Ferdinand Wilhelm Jaura, 1934, after Simon Schodler, 1782

Baryton nach J. J. Stadlmann, erbaut von Kurt Hoyer, 1977

The Viola da gamba in Italy

The Viola da gamba in England

The Viola da gamba in Austria

The Viola da gamba in Germany

The Viola da gamba in France


THE VIOLA DA GAMBA: RESOURCES INDEX

words of wisdom | shapes of viols


updated 21.11.2007