Heinrich Ignaz F. Biber Sonata II F-Major from "Fidicinium Sacroprofanum"
(1644-1704)Giovanni Porsile "La bella ragione" from "L'anima immortale" (1722)
(1680-1750)Johann Joseph Fux Sonate (Kanon) in g-minor
(1660-1741) (Allegro) - (Largo) - AllegroJohann Joseph Fux "Sento nel cuore" from "La decima fattica d'Ercole" (1710)
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Johann Schenck Sonata in a-minor from "L'Echos du Danube"
(1660 - after 1712) Adagio-Giga-Corrente-Adagio-VivaceAttilio Ariosti "Prole tenera" from "La Profezia d' Elise"
(1666-1740)Georg Muffat Concerto XII "Propitio Sydera" (1701)
(1653-1704) Grave-Allegro-Aria-Gavotta-Ciacona
Interpreters
José Vázquez - violin, viola da gamba, direction Christine Esser - soprano
Margit Meckel - viola da gamba Irená Troupová - soprano
Christa Opriessnig - violin, viola da gamba
Lúcia Krommer - viola da gamba Matthias Wilke - organ/cembalo
Christian Drechsel - violone
Pierre Funck - organ / viola da gambaInstrumentarium
Violins: Nicola Amati (Cremona, 1669), Anonymous (Cremona, ca. 1700)
Viola: Johann Christoph Leidolff (Wien, 1719)
Violas da gamba:
Treble: Marcel Pichler (Hallein, ca. 1660) and Marcell Pichler (Hallein, ca. 1660)
Bass: Jakobus Stainer (Absam, 1671), Johann Seeloss (Linz, 1691), Nikolaus Leidolff (Wien, 1695), Michael Albanus (Graz, 1706)
Violone: Anton Posch, (Vienna, ca. 1700)
Texts to the vocal works:
La bella ragione
La bella ragione / ristrett'è in prigione / del senso infidel.
Travia dalla Luce / che l'alma conduce / al porto del Ciel.
(Beautiful Reason lies emprisoned in the dungeon of inconstant senses.
She does not allow herself to be led by the Light, that leads the Soul to the Port of Heaven.)
Prole tenera
Prole tenera, cessa di piangere / che l'ira frangere non si può.
Lascia deh a me il lagrimar per te / che più di cor almen' io piangerò.
(Tender child, cease to cry: no one can overcome fits of anger.
Leave it to me to shed tears for you: at least I will weep from the depths of my heart.)
(From the Old Testament , 2. Book of Kings, 6, which documents a regretable case of cannibalism - the eating of children - during the siege of Samaria and the famine that ensued.)
Sento nel cuore
Sento nel cuore / un dolce affanno / che sembra amore / e amore non è.
Quello ch'io sento / è un dolce inganno / che il cor diletta / ma con tormento / che l'alma alletta / senza mercè.
(I feel in my heart a sweet pain which appears to be love, but it is not. That which I feel is a sweet deception, that delights my heart, but brings pain with it, which entices my soul whithout pity.)
Zum Programm
Niemand wird heute den Saal verlassen ohne eine hohe Achtung für die musikalische Einmaligkeit der österreichischen Barockkultur des 17. Jahrhunderts erworben zu haben. Unter der Obhut Leopold I - der selber ein gevifter Komponist war - spiegelten die Künste - allen voran die Musik - Glanz und Pracht des Habsburger Reiches wieder, das gerade den Gipfel seiner Macht erreichte. Kulturell stand das Reich aufs Engste mit Italien - der Wiege des Barock - in Verbindung. Über 120 Komponisten aus ganz Italien versahen ihre Dienste hierzulande, darunter auch diejenigen des heutigen Abends. Die einheimischen Talente hingegen zehrten vom italienischen Gedankengut . Barock, muß man sich vergegenwärtigen, ist schließlich ein rein italienisches Phänomen: Georg Muffat studierte bei Corelli in Rom; Bibers Geigenkunst entsprang seinen cisalpinischen Vorbildern. Die kaiserlichen Sammlungen (die Mehrzahl der Werke auf dem Programm befinden sich in der Nationalbibliothek enthalten unzählige Schätze aus dieser Zeit, die von der hohen Qualität des damaligen Musiklebens zeugen.
Über die Musik
Mit der Trennung der vokalen und der rein instrumentalen Musik, die sich im 17. Jahrhundert vollzog entstanden die Hauptformen der barocken Musik: Oper und Oratorio, Concerto, Sonate und Partita. Aus dem schier unerschöpflichen Bestand an Opern und Oratorien der Leopoldina Sammlung stammen die Arien von Porcile, Fux und Ariosti. Charakteristisch für die Deutung der Lamenti ist die Verwendung der Violen da gamba deren Spiel am Wiener Hof sehr gepflegt wurde weil diesem süßklagenden Instrument eine Ähnlichkeit mit der menschlichen Stimme nachgesagt wird. Dank seiner angeborenen Begabung vermochte sich der aus der Steiermarkt stammende Johann Joseph Fux gegen die allgegenwärtigen italienischen Musiker zu behaupten, denen bei den Bewerbungen um die lukrativen Stellen sowohl im Habsburg Reich wie auch überall sonst in Europa stets den Vorzug vor den Einheimischen gebeben worden ist. Schon unter Leopold I versah Fux zunächst als Hofkomposisteur seinen Dienst, bis er schließlich 1715 zum Kapellmeister befördert wurde.
Die sinnliche Kantabilität der Neapolitanischen Schule ist deutlich in den Werken des viel gereisten Viola d' amore Virtuoso Attilio Ariosti zu spüren: die grazilen melodischen Linien des Lamento Prole tenera liefern ein exquisites Beispiel seiner Kunst. Sein jüngerer Landsmann, Giovanni Porsile gelangte über Spanien nach Wien, wo er bis zu seinem Tode wirkte. Porsile brachte den neuen bel canto Stil von Pergolesi und Scarlatti nach Österreich, der bald Europa erobern würde.
Bereits in Sonata da chiesa Form sind die zwei Werke des vielgefragten Meisters Giovanni Legrenzi, der schließlich die bedeutendste Stelle des Abendlandes: maestro di capella in San Marco bekleidete. Gewiß dienten diese zwei ernsten, tiefsinnigen sonate a quattro viole di gambe als Einleitungen zu Passionsmusiken oder tragischen Opern; erschienen sind sie jedoch in einer Kaiser Leopold I gewidmeten Sammlung instrumentaler Musik: "La Cetra".
Eine erhabene Synthese italienischer Melodiebildung und strukturierter Form einerseits, deutscher vollstimmiger Klanglichkeit andererseits stellen die Kompositionen des Violin und Viola da gamba Virtuosen Heinrich Ignaz Franz Biber dar. Obwohl er die Technik seiner Instrumente vollkommen beherrschte gar ihre damaligen Grenzen durch viele Innovationen erweiterte setzte er diese Virtuosität nie als Selbstzweck, sondern stets im Dienste einer guten Musik ein. Sein ta-delloser Kontrapunkt, seine gediegene Faktur und edle Cantilene zeugen von einem ausgesprochen guten Geschmack.
Als wichtigster Vermittler der Aufführungspraktiken Frankreichs und Italiens im deutschen Raum galt der vorzügliche Komponist aus Elsaß Georg Muffat, der früh in Paris bei Lully, 1680-82 in Rom bei Corelli diese zwei verschiedenen Stilrichtungen von ihren bedeutendsten Vertretern aus erster Hand kennenlernte. Das Concerto Grosso Propitia sidera (Glückbringende Sterne) ließ er sogar vom römischen Meister selbst korrigieren, bevor er es in der Sammlung Armonico tributo herausgab. Daß er diese Concerti sehr ernst nahm gab sein Vorwort bekannt: nur eines darf an einem Konzert gespielt werden; man darf den Fluß des Ganzen niemals mit Stimmen oder sonstigem unterbrechen; wenn man unbedingt ein anderes Werk von ihm am gleichen Abend hören möchte, dann soll man schreibt Muffat eine leichte, unterhaltsame Suite im französischen Stil aus seiner Florilegia wählen. Abschluß des Concertos bildet die traumhaft schöne Ciaconna, die mit Tempowechseln durchsetzt ist. JV